Kurz vor Weihnachten führt mich eine weitere Reiseleitung nach Tansania. Auch wenn ich schon ein halbes Dutzend Mal in diesem ostafrikanischen Land war, ist die Vorfreude nach wie vor gross. Dies auch weil neu eine Fusssafari inmitten von Massai-Siedlungen auf dem Programm steht. Gefühlte 100 Kilometer von der letzten grösseren Stadt entfernt, erwartet der Massai Kimani meine 10 Gäste und mich. Er steht scheinbar selbstverständlich am Rand einer von Touristen kaum befahrenen Landstrasse und fordert uns zum Anhalten auf. Auch für unsere routinierten Driver Guides Balakai und Daniel ist es eine neue Erfahrung. Den Weg nach Endulen kennen sie noch nicht. Gekonnt, aber nicht ohne der einen oder anderen Schweissperle auf der Stirn, steuern sie die Jeeps über die schlammige Strasse. Der Regen der vergangenen Nacht hat die Strasse beinahe unpassierbar gemacht. Zum ersten Mal wird der Vierradantrieb unserer Toyota Landcruiser beansprucht. Nach einer abenteuerlichen Fahrt lassen wir die Fahrzeuge zurück und setzen die Reise zu Fuss fort. Schon bald stehen wir auf dem ersten Hügel und lassen den Blick über die Serengeti schweifen. Die Aussicht ist atemberaubend. Schier unendlich scheint die sagenumwobene Savanne zu sein und an Faszination hat sie auch beim erneuten Anblick nicht eingebüsst.
Kimani erklärt uns erst die Landschaft und die Vegetation. Danach erhalten wir Einblick in die Massai-Kultur. Offen und in sehr gutem Englisch spricht der gebildete junge Mann über seinen Stamm und beantwortet all unsere Fragen mit eiserner Geduld. Sein charmantes Lächeln mit einer neckischen Zahnlücke inmitten schneeweisser Zähne wirkt gewinnend. Rasch fassen wir Vertrauen und schrecken auch vor kritischen Fragen nicht zurück. Hakuna matata – kein Problem – Kimani hat auf alles eine Antwort. Inzwischen stehen ein paar junge Massai-Kinder um uns herum. Sie beäugen uns ganz interessiert. Weisse sind hier selten anzutreffen. Dank Kimani erhalten wir Einblicke, die Touristen meist verborgen bleiben. Wir wissen unser Privileg zu schätzen. Aufmerksam, respektvoll und interessiert wandern wir durch die Landschaft, begegnen Einheimischen beim Wäschewaschen und anderen alltäglichen Tätigkeiten.
Drei weitere Fusssafaris erwarten die Aktivferien-Gäste der Naturreise Tansania.
Jede Fusssafari hat ihren eigenen Charakter. Mal steht, wie eben beschrieben, die Massai Kultur im Vordergrund. Mal wandern wir in unmittelbarer Nähe von Gnu- und Zebraherden. Mal lernen wir Tierspuren lesen und mal geht es vor allem um Pflanzen und ihre Verwendungen durch die Einheimischen. Interessant, abwechslungsreich und lehrreich sind die Wanderungen alle.
Später, in der Zentralserengeti, läuft ein Leopard genau auf unseren Jeep zu. Der Driver Guide fordert uns zum Schliessen der Autofenster auf und so blicken wir nun mit unseren Kameras durch das geöffnete Autodach. Unzählige Male klicken die Kameraverschlüsse. Als der Leopard knapp einen Meter neben unserem Auto innehält und zu uns aufblickt, verlässt uns der Mut. Rasch ziehen wir unsere Köpfe ein, setzen uns auf die Autositze und bestaunen hinter der schützenden Scheibe ehrfürchtig das wunderschöne, von Eleganz und Kraft strotzende, Tier. Uns stockt der Atem! Nur ganz langsam lässt die Spannung nach.
Am Abend sitzen wir bei einem Glas Wein um das Lagerfeuer unseres Zeltcamps und sinnieren über unser Glück. Einen Leoparden aus dieser minimalen Distanz zu sehen ist auch für unsere langjährigen Driver Guides keine Selbstverständlichkeit. Auch sie haben zum ersten Mal auf dieser Reise ihre Natels gezückt und zahlreiche Bilder geschossen. Während auf den Fusssafaris noch Sprüche über die angeblich nicht vorhandenen Raubkatzen fielen, schienen heute Nachmittag alle Gäste die Sicherheit unserer japanischen Blechwände auf Rädern zu schätzen!
Mit unglaublich vielen Erinnerungen an eindrückliche Tierbegegnungen kehren wir in die Schweiz zurück. Was wir alles erleben und sehen durften, lässt sich wohl durch kein Weihnachtsgeschenk ersetzen.
Valérie Chételat, Fotografin und Wanderleiterin mit eidg. FA