Ruaha Nationalpark
Eineinhalb Leoparden und ein vorwitziger Löwenkopf
Unterwegs im Ruaha Nationalpark, Dominik Abt, 16.09.2024

«Ready for take off?», fragt Stefano,  der Pilot, lacht und schon navigiert er die kleine Cessna über die Startbahn und hebt sanft vom Boden ab. Unter uns leuchten die farbigen Wellblechdächer von Sansibar, dann das blaugrüne Meerwasser des Indischen Ozeans und schon sehen wir die Küstenlinie zum Tansania-Festland. Die Landschaft wird aus der Vogelperspektive nach und nach zu einem geometrischen Muster, bestehend aus Erdfarben, Linien, Punkten und Strukturen. Wir fliegen Richtung Westen in den Ruaha Nationalpark.

Enock und Felix, die Naturführer und Abbey und Paredi, die Fahrer, umarmen mich zur Begrüssung und freuen sich, dass wir wieder in der Ruaha River Lodge zu Besuch sind. Die beiden Naturführer kommen sofort zur Sache und erklären flüsternd, dass eineinhalb (!) Leoparden gesichtet wurden. Aber wir seien doch sicher hungrig und wollen vor der ersten Pirschfahrt zuerst den Boxlunch essen. Wollen wir auf keinen Fall und schon rumpeln wir in den offenen Jeeps über die Sandpiste und essen den Lunch während der holprigen Fahrt. Als wir am Ort ankommen, wo der Leopard mit seinem Jungen gesichtet wurde, entdecken wir nur noch eine Tüpfelhyäne die verdächtig durchs Gebüsch schleicht. Pech gehabt, meint Enock, die Leopardin hat ihr Junges vor der Hyäne in Sicherheit gebracht und sich versteckt.

Der Ruaha Nationalpark ist mit über 20’000 km2 fast halb so gross wie die Schweiz und der zweitgrösste Nationalpark in Tansania. Es ist ein ursprünglicher Park von rauer und wilder Schönheit und wird nur von wenigen Touristen besucht. So äugen wir hinter jeden Baum und um jede Kurve, um unsere «eigenen» Wildtiere zu entdecken. Unterwegs unter der heissen Sonne Afrikas entdecken wir erste Pavianfamilien, Zebras, Giraffen, Büffel, Vögel und Ebenen voller fantastisch schöner Affenbrotbäume. Die Lodge liegt malerisch direkt am Ruaha River. Wir spülen den Staub des Tages mit einem ersten kalten Kilimanjarobier herunter, während hinter dem Affenbrotbaum die Sonne rot in der Savanne versinkt.

«Fünf Löwen, aber weit weg», verkündet Enock. Wir fahren trotzdem hin und finden die Löwen in einem Dickicht aus Zweigen und Blättern im Schatten liegend. Die Löwen räkeln sich im Gebüsch, ein gutes Foto ist nicht möglich und wir sind ein bisschen enttäuscht. Doch wie so oft, Geduld bringt auf Safari keine Rosen, dafür einen vorwitzigen Löwenkopf, der plötzlich aus dem Gestrüpp hervorschaut und in einen Knebel vor seinem Mund beisst. Wunderschön, besser gehts fast nicht für einen gelungenen Safaristart. Auf der Weiterfahrt treffen wir auf einen mächtigen Elefantenbullen, der sich an einem Baum gütlich tut, Zweige mit dem Rüssel abreisst und frisst. Als wir die Jeeps wieder starten, wackelt er mit den grossen Ohren, stampft und trompetet mächtig laut in die Savanne. «Scheinangriff», kommentieren unserer Guides und lachen, als wir zusammenzucken. Dann drücken Abbey und Paredi plötzlich aufs Gaspedal und wir sind gespannt, was für ein «kleines Geheimnis» sie uns noch zeigen wollen. Nun, der Leopard ist tatsächlich eine kleine Raubkatze, unsere Überraschung und Freude aber umso grösser, als der Leopard fotogen und neugierig zwischen den Felsen hervor in unsere Kameralinsen äugt.

Die Sonne geht blutrot im Osten hinter den Hügeln auf und verfärbt den Himmel mit einer typischen Out-of-Africa-Stimmung.  Wir sitzen fröstelnd in den Jeeps und holen in der Dämmerung die beiden jungen Ranger Sina und Salabi ab. Salabi läuft vorne mit seinem Karabiner und Saina mit ihrer Kalaschnikow am Schluss unserer kleinen Wanderherde. Wir marschieren den Ruahafluss entlang unter Akazien- und Baobabtrees durch die Savanne und später hinunter zum Flussbett, wo Dutzende, ja Hunderte von Flusspferden im Wasser und Krokodile auf den Sandbänken liegen. Enock, Felix, Salabi und Sina erzählen uns unterwegs allerhand Spannendes über die Tiere und Pflanzen im Ruaha Nationalpark. Einmal mehr überkommt mich im Stillen ein Gefühl der Freude und Zuversicht, mit diesen jungen, engagierten Menschen in dieser ursprünglichen Landschaft unterwegs sein zu dürfen. Wasserböcke, Impalas und den Afrikanischen Fischadler beobachten wir aus der Ferne, am meisten beeindruckt aber das Ruaha Flussbett mit seinen vielen Felsen und Steinen, die mit den Tieren zu einer einzigen Landschaft aus Schwarztönen verschmelzen. Ist das dort ein Stein? Ein Flusspferd? Ja, ein Flusspferd, es hat sich bewegt! Wir runden die stimmungsvolle Fusssafari mit einem Buschfrühstück gleich neben dem Fluss ab.

 

Abends sitzen wir beim Sundowner erneut am Ruahafluss, blicken aber nach Westen, wo die Sonne rot hinter den Schirmakazienbäumen untergeht. Dann verfärbt sich der Himmel langsam in eine blau-orange-rote Leinwand. Schöner malen, als die Natur es kann, geht nicht. Hinter uns grunzen die Flusspferde im seichten Wasser und schauen uns neugierig und ungeduldig aus kleinen Augen zu. Die Dämmerung senkt sich, wir packen unsere Siebensachen und geben den hungrigen Kolossen den Weg frei zu ihren nächtlichen Futterplätzen.

Gombe Nationalpark

Auch Schimpansen fallen manchmal von den Bäumen

Unterwegs im Gombe Stream Nationalpark, Dominik Abt, 15.09.2024

«You will never never know, if you never never go,» diese Songzeile geht mir durch den Kopf, als wir auf dem Tanganjikasee in unserem Boot Richtung Schimpansen gleiten. Regenwald und Buschwald erheben sich am nahen Ufer, irgendwo hier leben die 91 Schimpansen, welche im Gombe Stream Nationalpark zu Hause sind. Unser Naturführer, Rama (er ist seit 15 Jahren Naturführer, zeigt mir stolz ein Selfie, welches er diesen Frühling mit Jane Goodall gemacht hat – der weltbekannten Forscherin, die hier seit 1960 die Schimpansen erforscht hat) und der Ranger, Emanuel, stehen mit Funkgeräten in Kontakt mit dem Chimptracker (einem Ranger, welcher den Schimpansen tagsüber zu Fuss folgt und uns und die Forscher so wissen lässt, wo die Tiere sich gerade aufhalten). Rama nickt, wir laufen los, nach ein paar Schritten schluckt uns der Regenwald und wir wandern auf einem schmalen Pfad ins grüne Irgendwo. Die ersten Schimpansen entdecken wir hoch oben in den Astgabeln der Bäume im Gegenlicht. Wir freuen uns und geniessen die herumturnenden schwarzen Silhouetten im Geäst.

Nach einer Weile springen die Tiere in der Höhe von Ast zu Ast den Berg hinauf. Wir folgen ihnen auf einem immer steiler und enger werdenden Pfad, schwitzend und keuchend den Hügel und durch das Dickicht hinauf. Während wir uns hochkämpfen, überholt uns wie aus dem Nichts eine Schimpansengruppe von hinten. Unglaublich! Ich bin so überrascht, dass ich weder Fotos noch Filme machen kann; so flink marschieren sie neben unseren Füssen vorbei. Weiter oben bzw. schon wieder ein Stück den Hügel runter sitzen und liegen die Tiere dann unter einem Dickicht von Ästen, Zweigen und Blättern und ruhen sich im Schatten aus. Auch wir hangeln uns an Büschen und Ästen wie Affen zu ihnen hinunter und kriechen unter den Zweigen durch in ihre Nähe. Wir sind hin und weg und die ganze Anstrengung ist vergessen. Hier sitzen wir ein paar Meter neben den Menschenaffen und beobachten sie und ihr Verhalten untereinander, während sie ab und an zu uns hinüberschauen. Ein unglaubliches Gefühl von Zufriedenheit und Glück durchströmt mich; auch für mich sind es die ersten Schimpansen in der freien Natur. Urplötzlich schreit das Alphamännchen laut, steht auf und lanciert einen Scheinangriff auf seine Artgenossen. Rama lacht: «Zeit zu gehen!» Und schon flitzt die ganze Affenbande durch das Unterholz davon und hinterlässt eine Gruppe verschwitzter, verstaubter, glücklich und zufrieden strahlender Schweizer alleine zurück auf dem Hügel. Etwas später versuchen wir, die Schimpansen in einem Flussbett näher bei der Lodge abzufangen. Aber ausser Hunderten von farbigen Schmetterlingen finden wir keine Tiere. Rama meldet: «Der Chimptracker hat die Schimpansen im steilen, felsigen Gelände verloren, niemand weiss, wo sie jetzt sind.» Wir nehmen es gelassen, fahren zurück zur wunderbar einsamen Lodge am Seeufer und den Pavianen, die dort leben, geniessen ein Feierabendbier und die Sonne, welche rot im Tanganjikasee versinkt. Was für ein Tag! Einmalig!

 

Am nächsten Morgen gleiten wir mit dem Boot erneut über die glatte Wasserfläche des Tanganjikasees. Sorgenvoll blicken wir die Bergkette hinauf. Die Buschfeuer, welche wir bereits bei unserer Ankunft beobachtet hatten, haben nun die Krete erreicht, wo wir gestern die Schimpansen beobachtet hatten. Bei der Rangerstation laden wir Emanuel und den Chimptracker, ein stämmiger Mann in grüner Rangeruniform und Fussballschuhen mit Stollen an den Füssen, zu. Wir landen wieder am selben Strand wie gestern und Rama und die beiden Ranger beraten, was zu tun ist. Schliesslich machen sich die drei gemeinsam auf die Suche nach den Schimpansen, wir warten am Strand beim Boot. Nach einer Stunde kommt der Funkspruch beim Bootskapitän an. Die Schimpansen bewegen sich vom Berg herunter in unsere Richtung. Los gehts! Und tatsächlich, nach etwa zehn Minuten und einigen dürren Ästen im Gesicht, weist uns Rama an, die Gesichtsmasken (Maskentragen beim Schimpansenbeobachten ist seit dem Jahr 2000 Pflicht, damit wir Menschen keine Krankheiten auf die Schimpansen übertragen.) anzuziehen. Momente später hören wir die vertrauten Laute und ein Trupp Schimpansen wandert an uns vorbei. Wir folgen ihnen durch den Wald und das Gebüsch, bis sie sich bei einem ersten Futterplatz unter einem Schatten spendenden Baum niederlassen. Wir fotografieren, filmen und geniessen die Nähe zu unseren nächsten Verwandten, die zu 98,6 Prozent dieselbe DNA-Struktur haben wie wir Menschen. Die Tiere lassen sich durch unsere Anwesenheit nicht stören; Emanuel und Rama schauen, dass der Mindestabstand von acht Metern gewahrt bleibt. Nach einer Weile ziehen wir Menschen gemeinsam mit den Menschenaffen weiter zu einem schattigen Waldabschnitt mit leckeren Früchten und einem kleinen Bach. Wir dürfen die Tiere über eine Stunde beobachten, fotografieren und filmen. Rama erklärt uns die Verwandtschaft der einzelnen Schimpansen untereinander und weist auf einige – sehr menschliche – Verhaltensweisen hin. Es sind wunderschöne Beobachtungen und Augenblicke, die unsere Herzen und Speicherkarten füllen. Eine junge Schimpansin (Rama: Grundo, 9 Jahre alt) turnt vor unseren Augen kopfüber an einem hängenden Ast. Ganz offensichtlich geniesst sie unsere Aufmerksamkeit. «Knacks», urplötzlich bricht der Ast und die junge Dame fällt Kopf voran auf den Boden. Wir brechen in schallendes Gelächter aus. Verdattert rappelt sich Grundo auf und setzt sich, jetzt mit dem Rücken zu uns, sichtlich verlegen oder verärgert ins Gebüsch. «Affengeil!» kommentiert Elsbeth kurz und bündig. Auf der Schifffahrt zur Lodge zupft Rama mich am Ärmel und lacht: «Ihr habt viel Glück gehabt, so schön posieren die Schimpansen nicht immer!»

 

Am nächsten Morgen fahren wir über den Tanganjikasee zurück nach Kigoma. Die Buschfeuer haben sich über Nacht mit dem Wind weiter ausgebreitet. Ernst blickt Rama über die rauchenden Hügelzüge und sorgt sich um seine geliebten 91 Schimpansen. Ich zeige ihm einige der Fotos, welche wir die letzten zwei Tage machen durften. Gaia, Gremlin, Ghurubu, Grundo, Goodall, Fudge, Fadji … Rama kennt sie alle mit Namen!

Katavi Nationalpark

Wenn Elefantenmütter trompeten und Kücken mit uns auf Fusssafari wollen

Unterweg im Katavi Nationalpark, Dominik Abt, 18.09.24

Auf der ersten Pirschfahrt fahren uns Romano und Obadia zu einem Wasserloch, an dem acht Löwinen träge und vollgefressen in der Nachmittgssonne leuen. Der Aasgeruch eines bis auf die Knochen abgenagtem Büffelkadavers hängt in der Luft. Vor zwei Tagen haben die Löwen den Büffel gerissen, jetzt streiten sich noch ein paar Weissrückengeier an den Knochen. Irgendwo im Gebüsch haben die Löwinnen ihre sechs Jungen versteckt, wir können sie aber nirgends finden. Ein Flusspferd liegt mit Grünpflanzen bedeckt im dreckigen Wasser, obendrauf steht ein weisser Silberreiher. Eine der Löwinnen duckt sich und kriecht direkt vor unseren Jeeps ans Wasser, um zu trinken. Wir sind am späten Nachmittag unterwegs und das warme Licht taucht die ganze Szene in ein wundervoll sanftes Licht. Unterwegs halten die Fahrer an und sammeln trockenen Elefantendung ein, füllen diesen in eine hinter dem Jeep angebrachte Blechdose und zünden den Dung an. «Der Rauch hält die Tsetsefliegen vom Auto fern», erklären sie lachend. Zwei Tiere, welche wir auf dieser Reise noch nicht gesehen haben, sind Tsetsefliegen und Moskitos; wenn der Rauch dazu beträgt, dass dies so bleibt, werden wir darüber nicht traurig sein.

Katavi ist mit 4500 km2 der drittgrösste Nationalpark im fernen Westen von Tansania und ist damit noch entlegener und einsamer als der Ruaha Nationalpark. Wir sind ab der zweiten Nacht die einzigen Gäste in der mit Blick auf die weite Savanne wunderbar gelegenen Lodge. Hier ist Afrika noch echt ursprünglich: eine unverfälschte Landschaft mit Akazien, Palmen und Sykomore-Feigenbäumen, viele wilde Tiere und ein paar wenige Menschen. Der Park weist als Highlights die höchste Flusspferd- und Krokodilkonzentration Tansanias und grosse Büffelherden auf. Insbesondere jetzt, in der Trockenzeit von August bis Oktober, wenn die Seen und Wasserlöcher weniger werden, kann man die Tiere entlang der verbleibenden Wasserläufe und Wasserlöcher in grossen Herden beobachten. So sind auch wir auf der Pirschfahrt immer wieder aufs neue erstaunt, wie viele Flusspferde in einem Tümpel, wie viele Krokodile am Ufer liegen und wie viele kleine Fluss- und Krokodilaugen aus dem Wasser neugierig zu uns hinüberschauen.

Wir kreuzen in den Jeeps über die Sandpisten zwischen Palmen und Schirmakazien, als uns ein kleines Fahrzeug mit drei etwas aufgeregten Asiaten samt Fahrer entgegenkommt. Sie seien von einem Elefanten angegriffen worden, erklären sie, noch immer etwas verstört durcheinander sprechend. Wir sind gewarnt und fahren zur nächsten Elefantenfamilie. Es ist eine grosse Familie mit Leitkuh, Müttern und vielen kleinen Elefantenbabys. Sie trinken und bespritzen sich mit Schlamm an einem Wasserloch, ihre massigen Körper heben sich schwarz vor der braungelben Landschaft ab. Wir bemerken die vielen Blicke der wachsamen Mütter zu uns hinüber. Die Leitkuh führt ihre Herde in sicherem Abstand zur Fahrpiste in die Savanne. Ein Weibchen bildet den Schluss der grossen Elefantenfamilie und erleichtert sich für den bevorstehenden Marsch noch schnell von ein paar zukünftigen Anti-Tsetsefliegen-Dungballen. Auch sie schaut zu uns hinüber, doch statt der Herde als Nachhut zu folgen, hebt sie plötzlich den Rüssel, trompetet und läuft mit für ihr Gewicht erstaunlich schnelle Fahrt aufnehmendem Tempo in unsere Richtung. Unsere Fahrer starten die Jeeps, geben Gas und wir und die Elefantendame verschwinden in einer Wolke aus schwarzen Dieselabgasen und aufgewirbeltem Sand. Die Elefantin rennt uns auf der Piste noch ein paar Meter hinterher und trompetet dann ihren Sieg laut hinauf ins Akazienschirmdach. Nach dem Scheinangriff im Ruaha Nationalpark wissen wir jetzt auch, wie ein echter Angriff vonstattengeht. Einmal mehr wird mir bewusst, dass wir hier mitten in der freien, wilden Natur unterwegs sein dürfen. Und die Tiere in diesem entlegenen Park sind wohl noch ein Stück wilder, ihre Instinkte ausgeprägter und lebendiger als in den viel besuchten Parks im Norden. Auf dem Rückweg zur Lodge kreischen Grüne Meerkatzen zuoberst in den Baumästen und schauen alle in dieselbe Richtung. «Wenn die Meerkatzen auf den äussersten Zweigen warnen, ist es ein Leopard am Boden», erklärt Bosco. Wir machen uns mit einem Jeep auf die Suche, bleiben aber erfolglos und da die Affen sich wieder beruhigt haben, schaukeln wir über die Sandpiste zurück zur Lodge.

Blutrot steigt die Sonne hinter dem Ästegewirr des Sykomorebaumes bei der Rangerstation auf. Wir beobachten Dutzende von Flusspferden, die eng aneinander gedrängt im Flussbett suhlen. Einige Nilpferde kommen noch behäbig marschierend von der nächtlichen Futtersuche zurück und suchen sich eine Kuhle, in der sie den Tag vor der Sonne geschützt vorbringen können. Wir wandern mit unseren Naturführern und mit je einem Ranger an der Spitze und am Schluss unseres Gänsemarsches dem Katuma Flussbett entlang. In der Nacht haben wir Löwengebrüll gehört und auf dem Weg zum Treffpunkt fanden wir frische Löwenspuren im Sand der Piste, nahe dem Ort, wo wir jetzt wandern. Entsprechend vorsichtig schauen sich Henry und Stefan, die beiden Ranger, immer wieder im Gelände um. Mit der Morgensonne im Rücken ist die Buschlandschaft in ein warmes, sanftes Licht gebadet. Zwei Flusspferde kämpfen miteinander und zeigen sich gegenseitig, wie gross ihre Mäuler und ihre Hauer sind. Unter einer Borassuspalme piepst es fein, dann fliegen zwei Nilgänse auf und hinterlassen ihren flaumigen Nachwuchs ihrem Schicksal. Wir bewundern die kleinen, süssen Federbälle und marschieren weiter. Doch erst vier und dann zwei der Küken watscheln uns fiepend und piepsend hinterher und sind nicht wegzuscheuchen. Schliesslich hebt Stefan die beiden Federbälle auf und bringt sie zurück in die Nähe der restlichen Jungschar, um dann in seinen Siebenmeilenstiefeln einen Spurt zurück zu uns zu machen, dem die Küken nicht folgen können. Wir applaudieren, es macht Freude ein paar wilden Tiere das Leben zu retten! Naturmedizin gegen Durchfall, Bauchweh oder als Abtreibungsmittel, Elefantenzähne, Akazienbäume-Abwehrstrategien …, auch auf dieser Fusssafari erfahren wir von unsren Begleitern viel Wissenswertes über die Pflanzen und Tiere, welche wir antreffen und beobachten. Auf der gegenüberliegenden Flussseite rennt eine Herde Impalas mit weiten Sprüngen ins Dickicht, Giraffen und Wasserböcke äugen zu uns hinüber, fünf schwarze Rappenantilopen mit einem Kalb wagen sich zaghaft ans Wasser und über uns kreisen die Geier, welche wir von ihren Aussichtspunkten beim Vorbeimarschieren aufgescheucht haben. Den Löwen, der in der Nacht gebrüllt und dessen Spuren wir auf dem Hinweg im Jeep gesehen haben, entdecken wir nicht. Dafür zeigt uns Bosco einen Ameisenlöwen, der in seinem Bau hockt und auf Beute lauert. Wenn schon nicht der Löwe der Big Five, so immerhin ein Vertreter der Little Five!

Als roter Feuerball geht die Sonne bei unserem letzten Sundowner mitten in der Savanne hinter den Lala-Palmen unter. Die grossen Büffelherden stehen noch immer als schwarze Linie in weiter Ferne auf der flimmernden Ebene. Romano klopft mir auf die Schulter, als wir sie durchs Fernglas beobachten: «Wenn Du das nächste Mal kommst, stehen sie näher. Ich schicke ihnen ein E-Mail vorab!» Na dann: Kila la heri, bis bald.

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Unterwegs auf der Westtanzania Naturreise