Meine Motivation nach der Besteigung des 6’189m hohen «Island Peak» im Rahmen des Gokyo-Everest Trekkings mit Aktivferien AG im Himalaya im Jahr 2012 war gross ,den 6’962m hohen «Aconcagua» in Argentinen in einer «Expedition» zu besteigen. Die Herausforderung als Hobby Wanderer ebenfalls. Nun, dann mal los mit Training, Touren in den Bergen und in die 4’000-er ins Monte Rosa!
Die Truppe als einen Haufen toller Menschen anzutreffen ist Glücksache, ist aber vom ersten Augenblick an gegeben. Sie besteht aus zwei Jungspunden, zwei Ehrgeizigen, zwei Unverwüstlichen, einer Gruppenmutter, zwei erfahrenen Everest Veteranen und mir als Hobbywanderer. Dazu gehören unsere beiden argentinischen Guides Mercedes und Juan, die alles für unser Wohl tun.
Die Logistik und Taktik am Berg ist entscheidend und muss gut organisiert sein. Unser Bergführer und erfahrener Höhenbergsteiger Klaus Tscherrig aus Zermatt wird unser Garant für den Gipfel sein. Klaus ist eine Klasse für sich. Er gibt nicht nur ein fast schwebendes, energiearmes Schritttempo vor, sondern führt uns in das Allgemein- Essen- und Kleider- Verhalten sowie in eine effiziente Atemtechnik in der Höhe ein. Klaus hat die ganze Truppe stets im Auge und perfekt im Griff. Das gibt viel Vertrauen!
Das Essen und die Vorfreude darauf lassen keine Wünsche offen. Das erwartete argentinische Fleisch- und Weinwunder trift, vor und nach der Expedition, in vollem Ausmass ein. Während der Expedition werden wir mit währschaften, kalorienwuchtigen Mahlzeiten verwöhnt. Die mitgebrachte Schweizer Schoggi tut das ihrige versteckt im Zelt. Tee, Kaffee, Säfte sind kostenlos. Bier, Wein und Coca- Cola sind in den Basislagern zu erstehen. Kulinarisch alles eine Wucht!
Der Spiessrutenlauf mit den Papieren geht schon im Flugzeug los. Dann an allen Hotelrezeptionen. Das Gesundheit-Formular. (Pass Nr. zum 10x) Dann die «persönliche» Abholung der «Permits» (Park- und Gipfelgenehmigung) in einer Warteschlange mitten in Mendoza an einem einfachen «Kiosk» gegen 1’180 US Dollar. Die letzten Formalitäten werden richtigerweise beim Arzt im Base Camp gecheckt. Ein paar US Dollars werden in argentinische Pesos getauscht für Kleineinkäufe und Snacks.
Top vorbereitet und motiviert nehmen wir gut ausgerüstet am Eingang zum Park am «Punta de Vacas» den Weg durch das Tal am gleichnamigen Fluss in Angriff. Die Vegetation ist karg, die Lage windig und staubig. Das Thermometer klettert rasch auf 42°, aber nichts mit ausziehen, anziehen! Die Verbrennungsgefahr durch die Sonne ist zu hoch. Die Dachkappe bis in den Nacken, den Buff über den Mund und die Nase, sowie lange Hose. Je dunkler die Sonnenbrille desto besser. Nach ein paar Stunden treffen wir in «Pampa de Lenas» unserem ersten Nachtlager auf 2’900m ein. Es gilt die Zelte aufzubauen, sich bequem einzurichten und auf die grosse Fleischplatte zu warten! Nach dem Eindunkeln leuchten noch ein paar Zelte in der sternenklaren Nacht, dann ist warme Ruhe.
Der zweite Tag ähnelt dem ersten Tag, mit dem Unterschied, dass das Tal breiter wird. Die Gebirgszüge rechts und links wechseln die Farben von tiefschwarz über braun, grün, rot, orange bis gelb, in Felslinien von waagrecht bis senkrecht. Der Mund ist trocken vom Wind, 3l zu trinken das Minimum. Sonnencreme und Lippenschutz ein Muss. Dann, das erste grosse Highlight! In einer Schneise eröffnet sich erstmals unser Ziel. Der Aconcagua! Der erste Gedanke: «das schaffe ich nie». Majestätisch und unerreichbar ragt der Berg mit dem Polengletscher aus dem Nichts, mit Wolkenfeldern am Gipfel. Kurz darauf erreichen wir das Tieflager 2 «Casa de Piedra», auf 3’250m, richten uns mit Zeltaufbau wieder ein und geniessen den Abend mit der schon bereits empfindlich kühleren Nacht.
Der Höllenritt über den Fluss steht zuerst auf dem Programm, um in das kleine Seitental zu kommen, welches den Weg ins Basislager beschrieb. Katharina hat die Ehre, als Erste auf dem Gaul vom Chef Muli über den Fluss geführt zu werden. Was sie dem armen Gaul antut entzieht sich unseren Kenntnissen, der Gaul stiebt wie von der Tarantel gestochen über die Ebene davon, zur Belustigung aller. Alle sind nun über den Fluss und am Eingang des Tals. Der enge Aufstieg am Nebenfluss entlang ist steil, heiss und staubig. Plötzlich wird das Tal breiter und eröffnet uns ein einmaliges Panorama zum Ziel und der weiteren Umgebung mit schneebedeckten Gipfeln. Es gilt fast 800 Höhenmeter bis zum Basislager «Plaza Argentina» auf 4’200m zu bewältigen, das wir nach ein paar Stunden ziemlich erschöpft erreichten. Für die nächsten Nächte richten wir uns hier in unseren Zelten gemütlich ein, mit unserem Dauertreffpunkt, dem grossen Kuppelzelt von «Aconcagua Vision». Hier gibt es Tee, Snacks, Stühle, Tische, Liegen, Ladegeräte, spannende Zeitschriften, alles zum Verweilen, zum Ruhen und zum Akklimatisieren!
Am Ruhetag geniessen wir die warme Sonne, geniessen die Berge, die Kollegen, halten Musse oder haben Kontakt mit den Daheimgebliebenen. Der Arztbesuch steht an. Ohne dessen Bewilligung geht gar nichts am Berg. Dieser fragt woher man kommt, nach dem allgemeinen Befinden, auf welcher maximalen Höhe man schon war. Dann wird der Blutdruck gemessen, der Sauerstoffgehalt im Blut (82-85% i.O, 77% und darunter schlecht) und die Lunge abgehört (Geräuschbildung bedeutet Wasser in der Lunge, was zu einem Lungenödem führen kann) Nach zwei Tagen ist bei uns alles in Ordnung und wir können unseren ersten Akklimatisationstag in Angriff nehmen. Vorher werden wir von Klaus wie immer seriös instruiert. Die Temperaturen lassen hier in der Nacht für das Geschäft noch einen Ausflug aus dem Zelt zu. Der Sternenhimmel ist überwältigend. Milliarden von Sternen, die Milchstrasse, der Orion, das Kreuz des Südens glitzern um die Wette.
Die erste Akklimatisationstour führt uns ins Hochlager 1 auf 5’062m. Das bedeutet, gleich den ersten Materialtransport damit zu verbinden. Einige von uns schleppen bis 16kg mit, andere lassen ihre Ware mit den Trägern hochbringen. Diszipliniert steigen wir hinter Klaus her in Richtung Gletscher, der Gletscherbach ist noch von der Nacht vereist. Nach einem steilen Nadelöhr gelangen wir auf eine Ebene, die von Eiszacken übersät ist. Der Wind hat diese lustigen Formen unwirklich geformt. Immer dieses Panorama vor uns und der Rückblick auf das immer kleiner werdende Basislager. Nun gilt es im Schnee einen Schlussanstieg von ca. 50° zu überwinden, was ein Gefälle von 130% bedeutet. Im Hochlager 1 auf 5’062m verweilen wir etwas, deponieren das Material und steigen kurz darauf wieder ins Basislager ab.
Die zweite Akklimatisationstour führt uns auf den «Cerro Colorado» 4’710m, gleich neben dem Basislager. Hierfür müssen wir erst einmal über die weite Ebene marschieren, wir Menschen scheinen dabei unendlich klein. Schnell beginnt die Sandwüste an zu steigen, die sich 2.5 Stunden bis auf den Gipfel hinzieht. Der Berg besteht nur aus Sand, über Jahrmillionen aus Stein und Fels gelöst. Ein grosses Spielzeug wie eine Sanduhr. Der Gipfel ist prädestiniert, herum zu klettern und ein paar Spass Aufnahmen zu machen. Der Aconcagua muss auch herhalten. Tief unten sichtbar das heimische Basislager. Der Sand hat den Vorteil, dass wir innert 45 Minuten den Abstieg hinter uns haben, wir rutschen quasi den Berg wieder hinunter, dabei laufen die Schuhsohlen und die Füsse heiss 😉
Es wird ernst die Wetterprognosen stimmen für die übernächsten Tage. Der 12.Januar scheint als Gipfeltag geeignet, nur mässige Temperaturen (-19°, mit Wind gefühlte -33°) und Wind im Gipfelbereich von maximal 40km/h. Wir haben gehört, dass die vor uns gestarteten Österreicher ab dem Hochlager 3 abgestiegen sind. Zu kalt, zu windig, viel Schnee und keine Sicht. Aufgabe und Abstieg auf der anderen Bergseite. Wir brechen heute auf, aber die nächsten Tage werden eisig. Zum zweiten Mal den Aufstieg ins Hochlager 1 und einrichten. Ein kleiner Ausflug bei Schmuddel- Wetter mit 200 Höhenmeter in Richtung Hochlager 2 liegt drin. Bewegung muss her. Übernachtung im Hochlager 1. Der Wind wütet und zerrt die ganze Nacht an den Zelten, da geht jedes Schnarchen unter. Wer in der Nacht mal muss tut dies in die Flasche, die nach zwei Stunden gefroren ist. Schnee türmt sich im Vorzelt, die Schalenschuhe sind zwei Schneemänner. Das rumoren von Juan und Mercedes im Koch Zelt und das plötzlich für alle hörbare Wort «Frühstück» lassen uns endlich aus dem heimeligen Schlafsack kriechen und in die kalten Kleider ächzen.
Das Verweilen von einem Tag im Hochlager 1 war ein erneut kluger, taktischer Schachzug von Klaus. Unsere Akklimatisation auf 5’062m schreitet weiter voran. Den Tag verbringen wir mit Musikhören, plaudern, essen und viel trinken. Mann und Frau sind immer am Nuscheln, das Material will immer wieder irgendwo versorgt und richtig platziert sein. Mercedes und Juan kochen, und das gut! Käse, Schinken, Kuchen zum Zvieri und Pasta mit Gemüse und Peperoni zum Abendessen im unbequemen, aber wärmenden Kochzelt. Morgen steht der Aufstieg ins Hochlager 2 an.
Der Aufstieg ins Lager 2 auf 5’800m wird von allen endlich erwartet und stellt, dank der guten Akklimatisation, keine Probleme dar. Die fleissigen Träger kommen vom Base Camp, schultern unser Gepäck und steigen gleich weiter ins Hochlager 2. Das Wetter ist herrlich, der Himmel stahlblau und es ist «relativ» windstill. Die Steinformationen nehmen immer bizarrere Formen an. Auf einer Hochebene angekommen geniessen wir eine Verschnaufpause, bevor wir eine Stunde später unsere Zelte im Hochlager 2 wieder aufstellen. Der Aconcagua ist schon so nahe!
Nach nur einer Nacht im Lager 2 brechen wir am 11. Januar auf, um das letzte Hochlager 3 auf 6’100m Höhe zu erreichen. Hier wird die Luft zum atmen deutlich dünner. Regelmässiges, langsames Gehen und richtiges Atmen muss jetzt angewendet werden. Jeder hat seinen Buff oder seine Sturmmütze, wie von Klaus empfohlen, abgeändert indem man eine Öffnung im Mundbereich aufschneidet. Die Nase ist dabei durch den Buff vollständig gegen die Sonnenstrahlung abgedeckt. Es gilt durch die Nase einzuatmen, um die Luft für die Lunge vorzuwärmen, und durch den Mund wieder auszuatmen. Die Kehle trocknet dabei nicht aus und die Lunge braucht weniger Energie. Clever! Einmal einen Atmungsfehler und die warme Luft kondensiert in der Sturmbrille und gefriert sofort. Folge: Blindheit. Aber wer kann auf über 6’000m Höhe gehen und dabei nur durch die Nase einatmen und zum Mund wieder ausatmen? Versuchs Mal, es geht 😉 Im Lager 3 endlich angekommen, lassen wir uns erst mal auf die Felsen fallen, trinken und knabbern etwas, bevor wir uns aufmachen und zum letzten Mal unser Zelt mit aufstellen. Morgen ist der 12. Januar, der Gipfeltag!
Ein letztes Briefing von Klaus: um 05.30Uhr ist Abmarsch. Jeder hat pünktlich bereit zu sein. Um diese Zeit herrschen Temperaturen von -25°C. Hier oben 5 Minuten warten bedeutet frieren. Eine lange, stürmische Nacht steht bevor, alle sind nervös und aufgeregt. Wird es klappen?
Der Gipfeltag beginnt um 04.00 mit dem Anziehen. Ja, 1.5 Stunden lang, das Anziehen dauert auf dieser Höhe allein 1 Stunde. Den Schlafsack und Matte einrollen, das Gepäck für die Träger richten und seinen Rucksack packen. Etwas heisses Wasser hatte Juan schon gekocht und mit dem kargen Frühstück ans Zelt gebracht. Aufbruch um 05.30 Uhr im Dunkeln, langsamen und diszipliniert gehen wir hinter Klaus her, die Konzentration auf jeden Atemzug legend. Die Kälte zehrt an Händen und Füssen, es wird heller. Dunkelrot ist der Schein der aufgehenden Sonnen auf der Schattenseite des Berges, wo wir uns befinden. Beim Aufschauen werden die ersten umliegenden Gipfel beleuchtet, die Erdkrümmung wird wahrnehmbar. Der weite Schatten dieses Riesenberges dominiert die Szenerie, bis plötzlich die Sonne hinter dem Berg erscheint. Schlagartig wird es wärmer, nicht nur ums Herz. Es gibt nur wenige Fotos, für den Fotoapparat herausnehmen, Akku einlegen, fotografieren, Akku rausnehmen ist es schlicht zu kalt für die Hände und zu umständlich in den dicken Daunenschichten.
Im ersten Sonnenlicht montieren wir die Steigeisen, was jetzt kommt wird hart. Vorne weggenommen: Wir sind nicht die Einzigen am Berg. Andere Gruppen oder Einzelgänger wagen den Aufstieg in das immer unwirtlich werdende Gelände. Zuerst traversieren wir mit den Steigeisen noch auf dem leicht ansteigenden Weg den Berg und passieren auf 6’300m die kleine Holzruine Independencia, bevor der Weg anfängt deutlich steiler zu werden. Schnee kommt dazu. Wir befinden uns auf 6’600m Höhe.
Die ersten Berggänger geben auf oder sitzen bereits desillusioniert in den Felsbrocken. Hier und da begegnen wir Überbleibsel im Schnee durch Übelkeit oder aus Erleichterung. Der Aufstieg wird unregelmässig, mit grossen und kleinen Schritten werden Steinblöcke umgangen, eine rutschige Partie lässt ein „nach oben kommen“ nur schwer zu, die Füsse müssen bei etwa 60° Steigung quer gestellt werden und übergreifend angesetzt werden, die Zacken der Steigeisen sind zur Hälfte in der Luft. Die Situation hält zermürbende 2.5 Stunden an, dann ist auch meine Luft draussen. Unsere Gruppe beginnt sich in die Länge zu ziehen, mein Kampf ist Klaus nicht entgangen. Auch Fabio hat zu kämpfen, aber er motiviert mich, nicht aufzugeben. Nach weiteren 100 Höhenmetern Kampfgeist gibt nun auch mein Wille auf. Ich befinde mich auf exakt 6’850m Meereshöhe und knappe, zugleich elend lange 112m unter dem Gipfel und bringe keinen Höhenmeter mehr zustande. Klaus gebe ich meine grosse Sony Kamera auf den Gipfel mit, weil seine SRK den Geist längst aufgegeben hat. Klaus gibt mir ein Diamox, das ist eine präventive Tablette gegen Höhenkrankheit. Ich mache es mir an meinem Plätzchen für 50 Minuten gemütlich, schiesse mit der kleinen Kamera ein paar Fotos und warte auf die erfolgreiche Rückkehr der Gipfelmannschaft.
Klaus weckt mich aus meinem dösenden Zustand im angenehmen, windgeschützten Felsenbett. Alles klar fragt er, oder siehst du Gespenster, deine badende Grossmutter oder kannst du fliegen? Ich muss lachen, es ist alles in Ordnung. Jetzt kommt auch der Rest vom Team vom Gipfel zurück, mit Fabio im Schlepptau. Er hat sein Aufgeben genau auf den Gipfel getimt. Er kann keinen Schritt mehr bewerkstelligen und ist nicht mehr ansprechbar. Ein schnelles Gratulieren für den Gipfelerfolg, Klasse gemacht! Meine Kamera war auf dem Gipfel, aber ohne Akku, denn den hatte ich in der Jacke. Super, aber ein Teil von mir war wenigstens oben! Nur, jetzt haben wir zwei Patienten. Ich bekomme von Klaus nochmals eine «Kräftedroge» und die Aufforderung, zusammen mit Christian sofort und schnell abzusteigen. Treffpunkt im Hochlager 3. Die anderen Gipfelstürmer greifen Fabio unter die Arme und steigen sorgfältig mit ihm ab.
Wolken ziehen auf als Christian und ich uns im schnellen Abstieg befinden. Die Wolken werden immer dichter, Schneefall setzt ein, es wird stürmischer. Der Weg ist aber gut zu sehen. Ich bin vorne, Christian stürzt hinter mir etwa 5m den (ungefährlichen) Hang hinunter, ich höre es nicht. Ein paar versprengte Berggänger treffen wir an, sie sind uns egal. Ah, da unten die kleine Holzhütte, da müssen wir hin. Bei der Hütte weiss ich nicht mehr, auf welcher Seite wir ins Camp 3 absteigen müssen, links oder rechts? Ich gehe nach links um etwas zu sehen. Dies sieht Klaus von weiter oben und holt schon instinktiv die Sporen raus um mir nachzurennen, weil das der falsche Weg wäre 😉 Ich gehe wieder zurück und Christian und ich stiegen dann rechts ab. Unterwegs treffen wir zwei Vermummte. Einer vorne, einer apathisch am kurzen Seil dahinter. Der Vordermann stellt sich als unser Arzt heraus, der nach oben gerufen wurde, weil die Japanerin an seiner Angel ziellos und wirr plappernd herumirrte. Wir steigen in das leere Hochlager 3 ab und warten auf unsere Truppe.
Zurück im Hochlager 3 machen alle eine Pause in der wärmenden Ärztestation. Die Japanerin klinkt sich wieder ein und Fabio ist schon wieder zum Scherzen aufgelegt und mit der gleichen «Kraftdroge» wie ich, wieder bereit von selbst weiter abzusteigen. Also, alles wieder Palletti!
Das Basis Lager «Plaza de Mulas» auf der anderen Bergseite, auf 4’300m Höhe ist unser nächstes Ziel. Also ein Abstieg an einem Stück von 2’600 (!) Höhenmeter! Beim raschen, aber kräfteraubenden Abstieg gehen wir vor wie wir es gelernt haben. Direttissima, ohne Verluste, gerade und abkürzend über Sand und Schnee den Berghang hinunter. Wie startende Gleitschirmflieger, nur eben ohne Schirm. Dabei mal auf die Schn…. fallen ist keine Seltenheit. Schnell wird es wärmer, also weg mit den Daunen und dem Sturmzeugs! Die Luft wird wieder angenehmer zum Atmen, befreiend. Direkt vorbei am Hochlager 2, das sichtbare Hochlager 1 lassen wir weit von uns liegen. Das grosse Basislager wird unten auf der Moräne sichtbar, nur noch 1’000 Höhenmeter! Mit brennenden Fusssohlen, einige arme mit Blasen, (kenne ich nicht) treffen im vollbesetzten Kuppelzelt von «Aconcagua Vision» ein und werden mit einem kräftigen Applaus begrüsst. Es gibt auch gleich etwas Feines zu Essen und Erholung vom ereignisreichen, aber herrlichen Gipfeltag. Herzlichen Dank für alles, Klaus 😉
Der Abstieg aus dem Tal steht gleich am nächsten Morgen an. Nach einer eher schlaflosen Nacht, aber einem guten Frühstück, gilt es 32km an einem Stück aus dem Tal zu marschieren. Für das was wir hinter uns haben ist das ein Klacks. Die Aussicht auf die erste warme Dusche und einem weichen, kuscheligen Bett seit Wochen stehen im Vordergrund. Mit hohem Tempo stieben wir in sechs Stunden über Steine und Flussbette bis Tieflager «Confluencia» auf 3’400m ab, dem Ausgangspunkt zur Aconcagua Südwand. Dort genehmigen wir uns in einer grossen Pause Früchtecocktails, Cola und Tapas.
Der Zufall will es, dass wir unsere Muli Truppe von vor zwei Wochen nochmals begegnen. Der Chef Muli erkennt uns, springt vom Pferd und schüttelt in voller Freude alle unsere Hände. Filmwürdig und gekonnt schwingt er sich wieder auf sein Pferd, dreht sich 360° im Kreis, setzt wie Winnetou einen Gruss mit abgewinkeltem Arm ab und stiebt seiner Herde im Staub hinterher.
Die restlichen zwei Stunden bis zum Tal- und Parkausgang «Puente del Inca» auf 2’720m sind nicht mehr der Rede wert (Ausser bei den Armen mit den Blasen). Okay, etwas Muskelkater nach 900 Höhenmeter Aufstieg zum Gipfel, 2’600 Höhenmeter Abstieg ins Basislager zurück, 32km wandern aus dem Tal und das Ganze innert 24 Stunden, darf ja schon sein. Zugegeben. Nach dem Check Out aus dem Park fahren wir glücklich und zufrieden mit dem Bus zurück nach «Penitentes» auf 2’580m, zurück ins «Hotel Ayelen». Endlich DUSCHEN, ESSEN, TRINKEN, FEIERN, SCHLAFEN 😉
Zurück in Mendoza im selben Hotel, stellen wir uns voller Vorfreude auf ein herrliches Nachtessen mit einem guten Stück Rindfleisch und einem edlem Tropfen Wein ein. Als ganze Mannschaft pilgern wir in ein Fleischrestaurant und geniessen das Menü in vollen Zügen. Hier isst man schnell mal drei Stunden, für manche etwas mühsam, für die anderen ein Muss. Am nächsten Tag steht der Besuch eines Weingutes mit einem Degustationshintergrund auf dem Programm. Es gibt vier herrliche Weine zu degustieren, dazu ein mehrgängiges Menü, das alles Bisherige in den Schatten stellt in Sachen Qualität, Service und Ambiente. Am Abend dann noch ein Umtrunk in einer Bierbar und ab in die Heia. Am Morgen nach dem Frühstück dann das grosse Abrechnen mit den Kilos für die Träger am Berg. Jeder Einzelne wird zur Abrechnung aufgeboten. Alles in Ordnung! Trinkgelder wurden grosszügig an Mercedes und Juan verteilt und damit in den Urlaub mit ihren Familien entlassen. Die zweieinhalbstündige Stadtrundfahrt in Mendoza, wieder mit allen Teilnehmern, mit einem Sandhügel als Aussichtspunkt auf die grüne Stadt Mendoza, rundet den Besuch in Mendoza ab. Nun gilt es Abschied voneinander zu nehmen, da die Flüge zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedliche Richtungen anstehen. Es war herzlich und so ehrlich. Danke!
Epilog Dass alle gesund geblieben sind ist sicher auch Klaus zu verdanken. Dem höhenerfahrenen Bergführer musste man nur zuhören und seine Tipps umsetzen. Zuschauen, wie sich Andere falsch verhielten, liess bei ihm nur ein kühles Lächeln übrig. Seine ruhige Art, sein strategisches Geschick mit der Höhe und dem Gespür des richtigen Wetterfensters liessen einen Erfolg am Berg früh erkennbar werden. Die ganze Truppe war stets positiv eingestellt, eine regelrechte Harmonie stellte sich ein. Kein Fluchen, kein böses Wort, kein Streit, kein Gekeife, kein Brummeln, kein nichts. Zu keiner Zeit. Nie. Trotzdem sind mir hier ein paar Anekdoten erlaubt. Brigitte immer zu Spässen aufgelegt, bleibt Flavio hierbei aber immer unterlegen. Brigitte hatte alles dabei, was andere nicht hatten, hier mal eine Creme, da mal ein paar Pesos oder sie duldete einen Kopf an ihrer Schulter. Die zwei Jungspunde Flavio und Christian waren technisch versiert und immer gut drauf, was die die Moral jederzeit aufrecht hielt. Myrta und Roli, unverwüstlich im Nehmen, bis zum Schluss zuversichtlich und agil. Roli, in den Hochlagern zu faul in die Schuhe zu steigen, tauchte regelmässig mit den schneebedeckten Innenschuhen im Küchenzelt auf, er musste schon Pflotsch-Flossen haben. Mein Kampf galt «allen» Reissverschlüssen an Kleidern, Zelten, Schlafsack und Taschen und einer unbrauchbaren Thermosflasche, mit der man Eiswürfel für Cocktails hätte herstellen können. Nur Karsten war die Ruhe selbst, sich entwaffnend entschuldigend und meines Schnarchens ertragend. Was für ein geduldiger Zelt- und Zimmerpartner, danke! Beat und Katharina wie Felsen in der Brandung, meist wortkarg, immer konzentriert und zielstrebig. Zugpferde, aber immer hilfsbereit oder zuvorkommend. Klaus… lassen wir das, er hat schon genug Fett weg im Bericht 😉
Ich danke Euch allen für das Gelingen der Expedition an diesem Berg. Es war mir eine Ehre mit Euch an diesen Berg zu reisen und unsere Erfolge zu geniessen!
Liebe Grüsse und macht’s gut!
Jens Howoldt