Afrika stand eigentlich nicht zuoberst auf meiner Destinationen-Wunschliste. Doch als ich vor gut einem Jahr die Möglichkeit erhielt, die Aktivferien-Naturreise Tansania zu leiten, zögerte ich keinen Moment. Im Vorfeld hatten mir zahlreiche Personen prophezeit, das Land werde mir den Ärmel hineinziehen. Wie Recht sie hatten. Der Afrikavirus hat auch mich infiziert. Innert Jahresfrist war ich inzwischen vier Mal in diesem faszinierenden Land. Einmal stand ich mit meinen 14 Gästen auf dem höchsten Punkt Afrikas, dem Mount Kilimanjaro, und dreimal leitete ich die Naturreise.
Gründe, weshalb mich dieser Kontinent nicht mehr los lässt, gibt es viele. Nachhaltig berührt hat mich die Herzlichkeit der Tansanier. Besucher werden mit weit geöffneten Armen, zahlreichen lieben Gesten und unendlich vielen strahlenden Lächeln empfangen. Mit viel Lebensfreude zeigen uns die Einheimischen ihr Land, sind zurecht stolz auf ihre Tier- und Pflanzenwelt, ihre weltbekannten Nationalparks. Ich erachte es als ein grosses Privileg dieselbe Reise mehrmals zu leiten zu dürfen. Mit jedem Mal verstehe ich diese doch so unterschiedliche Kultur etwas besser, und meine Begeisterung wächst weiter.
Eine Besonderheit und Novität der Naturreise sind die Fusssafaris. Mitten in den Nationalparks zu Fuss den Wildtieren zu begegnen ist für viele Leute ungewohnt. Verständlich, dass manche Gäste erst etwas skeptisch sind und wissen wollen, welchen Gefahren sie sich dabei aussetzen. Versteht man erst einmal das Jagdverhalten der Tiere, erweisen sich viele Ängste als unbegründet. Spätestens beim Anblick unserer Begleitung beruhigen sich die aufgeregten Gemüter. Ein bewaffneter Ranger, ein Massai und ein Naturkundeführer machen die Fusssafaris zu gefahrenlosen, unvergesslichen Erlebnissen.
Die Fusssafari am Lake Manyara wird geleitet von einem Massai-Krieger. Lingato, ein aufgeschlossener, junger Mann erzählt uns viel Spannendes über seine Kultur. Die Gäste löchern ihn mit Fragen zu der Lebensweise der Massai. Lingato scheint keine Frage zu irritieren. Mit viel Geduld, Charme und Witz beantwortet er selbst indiskrete Fragen. Dieser hautnahe, unverfälschte Kontakt zu einem Massai lässt uns beinahe die Tierwelt um uns herum vergessen. Dabei sind wir umzingelt von Zebras und Gnus. Diese scheinen sich durch unsere Anwesenheit in keiner Weise gestört zu fühlen. Etwas später entdecken wir Fussspuren eines Löwen. Dass es an diesem Tag bei den Spuren bleibt, scheint niemanden zu stören. Löwenbeobachtungen aus dem Safarifahrzeug werden offensichtlich doch bevorzugt. Ganz nahe kommen wir dann doch noch anderen Tieren. Am Seeufer tummeln sich hunderte Pelikane und Flamingos. Die Sonne verschwindet langsam hinter dem Great Rift Valley (ostafrikanischen Grabenbruch), unzählige Störche überfliegen die Bilderbuch-Szenerie und wir geniessen dazu ein Glas Dodoma-Weisswein mit lokalen Cashew Nüssen.
Szenenwechsel – Lake Ndutu am südlichen Rand der Serengeti. Auch hier kommen wir in den Genuss von Fusssafaris. In der Serengeti ist man fernab der Zivilisation, auch wenn die Wiege der Menschheit, die Oldupai Gorge, dem bedeutenden Fundort von Hominiden-Fossilien, keine 40 Kilometer Luftlinie entfernt liegt.
Hier sind wir definitiv im Reich der Tiere. Der Busch ist unübersichtlich, dicht und verbirgt viele Geheimnisse. Welchen Tieren man auf einer Fusssafari begegnet, bleibt jeweils eine Überraschung. Unser Augenmerk richtet sich denn auch auf kleinere Kreaturen. Der Naturkundeführer vermittelt sein Wissen mit grosser Begeisterung. Ob er dabei von Termiten, Webervögel, Pillendreher Käfern oder Giraffen spricht, ist zweitrangig. Faszinierend sind alle Kreaturen.
Mit dem Jeep unterwegs zum Startpunkt unserer Fusssafari treffen wir auf ein Gepardweibchen mit drei Jungen. Geparden, die schnellsten Landtiere der Welt, aus nächster Nähe zu beobachten ist nichts Alltägliches. Bis am Ende dieser Reise werden fünf weitere Geparden dazukommen, weit mehr als ich während der drei vorangegangen Reisen gesamthaft gesichtet habe.
Doch zurück zu unserer Fusssafari. Auch hier bleibt uns das Spektakel nicht vorenthalten. Ganzen 18 Giraffen stehen wir innert kürzester Zeit gegenüber. Ehrfürchtig schauen wir zu den Tieren hoch. Sie haben uns längst entdeckt, kauen aber weiterhin in aller Ruhe Akazienblätter. Die Eleganz der Giraffen ist bestechend. Gemütlich wandern sie im Passgang an uns vorbei oder galoppieren mit ihren langen Beinen vermeintlich im Zeitlupentempo davon. Den Hintergrund zieren zahlreiche Impalas. Bilder wie diese prägen sich tief ins Gedächtnis ein, Glücksgefühle machen sich breit.
Auch für Gaumenfreuden ist gesorgt. So findet beispielsweise gleich im Anschluss an die Fusssafari ein Busch-Lunch unter einer riesigen Schirmakazie statt. Mitten in der Wildnis zaubert die Küchencrew ein feines Mittagessen inklusive Grillspezialitäten auf den Tisch.
Auf den Liegestühlen am paradiesischen Strand von Sansibar bleiben im Anschluss an die Safari ein paar Tage Zeit um die Reise in Revue passieren zu lassen. Als Höhepunkt bezeichnen manche Gäste die Sichtung der „Big Five“. Löwen, Elefanten, Büffel, Nashorn und schliesslich noch den Leopard. Diesen sahen wir am vorletzten Tag in der Serengeti dank den Adleraugen unseres Driver Guides Victor. Andere nannten die vielen Zebras im Ngorongoro Krater, die schönen Camp Lodges, das abwechslungsreiche Programm, das Schnuppern der Kilimanjaro-Luft, die Gespräche mit Lingato, die Geparden, die unendliche Weite der Serengeti, die vielen farbigen Vögel oder eben die Fusssafari mit den Giraffen.
Ich freue mich bereits jetzt auf meine nächste Reiseleitung in Tansania. Auf die vielen herzlichen Begegnungen mit Einheimischen, auf spannende Tierbeobachtungen und auf die Ansteckung weiterer Gäste. Der Afrikavirus ist noch immer aktiv!
Valérie Chételat, Wanderleiterin mit eidg. Fachausweis.