Niemals hätte ich mir das zugetraut, und wohl mein gesamtes Umfeld auch nicht! Aber nun ist es Tatsache, ich schaue von über 6000 Meter hinunter ins Andenhochland, sehe soweit das Auge reicht einfach nur Wüste, kein einziger Punkt jeglicher Zivilisation. Ich sehe auf Argentinien, Chile und stehe hier im Süden Boliviens auf 6008 Meter. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen, ich kann meine Emotionen nicht zurückhalten…

Doch der Reihe nach. Vor drei Jahren überredete mich ein Arbeitskollege, mit ihm den Kilimanjaro in Afrika zu besteigen. Sein Reisepartner hatte kurzfristig abgesagt und ich sprang in die Bresche. Schon damals hielt mich meine Familie für verrückt. Ich bewege mich zwar sehr gerne und gehe auch regelmässig wandern und betreibe Ausdauersport. Aber Bergsteigen ist definitiv eine fremde Welt für mich. Noch nie zuvor bin ich geklettert und noch nie an einem Seil gelaufen. Doch der Infoabend konnte mich überzeugen und so stand ich nur wenige Wochen später auf dem höchsten Punkt Afrikas – auf dem Kilimanjaro! Der Kilimanjaro ist der ideale Einsteigerberg, es gibt keine Kletterpartien und auch keine ausgesetzten Stellen, an welchen man am Seil gehen muss. Es ist ein relativ einfacher Wanderberg, der jedoch alles an Kondition abverlangt. Was für ein Erlebnis! Beim Abstieg fragte mich unser Bergführer: «Und Saskia, wann geht es für dich auf einen 6000er?!» In diesem Moment hielt ich ihn für gelinde ausgedrückt verrückt.

Dann kam die Ferienmesse in Zürich. Und da wird mir am Stand von Aktivferien nochmals die gleiche Frage gestellt. Ich gebe zu bedenken, dass ich keine Bergsteigerkenntnisse habe und auch nicht ganz schwindelfrei sei. Kein Problem, meint der junge Mann, dann sei der Uturuncu mit 6008m in Bolivien genau das Richtige für mich. Einige schlaflose Nächte später setzt sich mein Traum langsam in ein Ziel um und ich buche voller Vorfreude die Tour nach Bolivien.

Zusammen mit Simon, meinem damaligen Begleiter vom Kilimanjaro, reise ich nach Bolivien. Die ersten Tage sind wir in der Salzwüste von Uyuni unterwegs. Kilometer weit bis an den Horizont fahren wir mit unserem 4×4 Fahrzeug. Wir steigen bis fast auf 5000 m am Vulkan Tunupa. Die Sicht auf den weissen Salzsee werde ich nie vergessen. Wir fahren vorbei an tausenden Flamingos. Sie räkeln sich vor meiner Kamera. Und Fotosujets gibt’s für mich als begeisterte Fotografin unzählig viele! Wir baden in warmen natürlichen Pools, staunen über die dampfenden Geysire und die Lagunen, die in allen Farben leuchten.

Angekommen in Quetena Chica muss ich schmunzeln, auf meiner 300‘ 000 er Karte von Bolivien ist diese Ortschaft als Städtchen eingezeichnet. Meine Heimat Rosenhuben mitten im verschlafenen Thurgau ist etwa doppelt so gross. Ein paar Häuser säumen die Kiesstrasse, die durch das ganze Dorf führt. Das einzige moderne, und hier muss ich wieder schmunzeln – ist ein nigelnagelneuer Kunstrasen-Fussballplatz. Fussball ist halt Religion in Südamerika.

Hier im einfachen Andenhotel werden wir von Juan empfangen. Der bescheidene junge Mann ist der Hotelmanager und wie sich herausstellt auch Bergführer am Uturuncu. Er wird uns morgen auf den Gipfel begleiten. Nach dem Briefing gehen wir früh schlafen und versuchen uns möglichst gut zu erholen.

Morgens um 4.30 nehmen wir alle still unser Frühstück ein, nur die Bolivianer scheinen schon zu Witzen aufgelegt. Um 5.00 fahren wir mit dem kraftvollen Toyota Landcruiser im Scheinwerferlicht los. Wir durchqueren einen Fluss und fahren einen Bergweg hoch. Dieser Bergweg soll uns bis auf 5400m an den Fuss des Uturuncu führen. Eingerichtet von Miñeros, die auf fast 6000 m Mineralien abgebaut haben. Die Mine wurde stillgelegt, die Strasse wird nur noch von Bergsteigern benutzt. Gut durchgeschüttelt kommen wir 90 Minuten später am Ende der Strasse an. Der Sonnenaufgang auf dem Weg war bereits atemberaubend, doch ich bin so aufgeregt. Wie wird es mir ergehen in dieser Höhe?

Unser Bergführer hat geraten, sich warm anzuziehen, damit wir uns einen wirklich langsamen Rhythmus leisten können und uns nicht kalt wird. Bald schon sind wir in der Traverse rund um den Berg, so langsam macht sich die Höhe bei mir bemerkbar. Doch es gibt so viel zu sehen und man riecht den Schwefel des Vulkans. Ich versuche mich abzulenken, indem ich neue kleine Mikrodampfwolken zu entdecken versuche, die aus dem Boden dampfen.

Wir machen eine Pause und sehen auf der hinteren Seite auf etliche kleine Lagunen. Zu lange will ich hier aber nicht Pause machen, mir geht es besser, den langsamen Rhythmus durchzuziehen. Nach knapp drei Stunden stehe ich zusammen mit Simon auf dem Gipfel des Uturuncu. Und ja, ich kann meine Emotionen nicht zurückhalten. Unglaublich schön und soweit ich sehen kann, da ist absolut keine Zivilisation! Der Traum von 6000 m ist in Erfüllung gegangen!

Zurück sind wir unglaublich schnell und schon bald geniessen wir ein Paceña vor dem Andenhotel von Juan. Der Rest der Reise ist dann nur noch Zugabe für mich, Villamar, Laguna Misteriosa, dann den riesigen Lago Titicaca mit dem wunderschönen Hotel Rosaria del Lago. Auf den zweiten 6000er, den Huayna Potosi, verzichte ich. Steigeisen und Ausgesetztheit sind nicht so mein Ding. Mit den anderen Nichtbergsteigern besuchen wir das Valle de la Luna und staunen einmal mehr!

Nun ist bald Schluss mit der Reise, im tropischen Santa Cruz de la Sierra lassen wir die Reise ausklingen. Unsere Köpfe sind voll von Eindrücken, ich habe einen 6000er bestiegen. Stolz darf ich mit tausenden digitalen Fotos sowie mit solchen im Kopf heimreisen.

 

 

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Einmal im Leben auf 6000 Meter!