Ungewöhnliche Reisen habe mich schon immer fasziniert. Nachdem ich vor zwei Jahren mit dem Kajak von Seuzach ins Domaine du Frigoulet nach Südfrankreich und dann weiter ans Mittelmeer gepaddelt bin, habe ich mir dieses Mal ein neues Ziel gesteckt: London.
Da diese Strecke grössere Anforderungen stellen würde, bin ich trainingshalber die Strecke von Ilanz in den bündnerischen Bergen bis nach Chur und weiter über den Bodensee, Rheinfall bis zum Tössegg gepaddelt. Im Frühsommer gings dann los von Seuzach über Tössegg den ganzen Rhein runter bis nach Rotterdam 1100 km.
Christine hat mich, wie schon vor zwei Jahren, mit ihrem Velo begleitet auf dem romantischen Radweg entlang des Rheins. Uns wurde bewusst, was die Wasserstrasse mit dem grossen Schiffsverkehr für die Schweiz wirklich bedeutet. Nach dem romantischen Stück des Mittelrheins bei der Loreley ging es durch die Städte Bonn, Köln und Düsseldorf. Danach nahm der Schiffsverkehr durch Holland nochmals stark zu mit bis zu 250 m langen Lastschiffen. Durch das interessante Rheindelta mit Seelöwenkolonie ging es bis zur Nordsee bei Rotterdam.
Vor zwei Wochen bin ich zum zweiten Teil mit meinem Kajak aufgebrochen. Eine ganz neue Dimension und Erfahrung auf dem Meer. Mit den grössten Schiffen der Welt unterwegs zu sein, die zum Teil bis 400 m lang und mit über 20’000 Schiffscontainern beladen sind. Begegnung mit diesen Kolossen sind gefährlich, sie lösen Sog und grosse Wellen aus. Zuerst ging es 160 km der Küste von Holland, Belgien und Frankreich entlang und immer wieder tauchten solche Kolosse auf. Faszinierend aus Distanz, aber in der Nähe lösen sie enorme Wellen aus.
Der französischen Küste entlang ging es durch einen regionalen Naturpark, wo mich eine Stunde lang eine Seelöwenkolonie begleitete. An Calais vorbei fuhr ich bis zum schmucken Dorf Wissant, der Startort für die grosse Ärmelkanal Überquerung. Schon vor einem Monat musste ich eine Bewilligung einholen und ein offizielles Begleitboot organisieren. Es kam aus England und war mit internationalem Schiffssender und Kommunikation ausgestattet. Der Ärmelkanal gilt als meistbefahrene und gefährlichste Meeresverbindung der Welt.
Frühmorgens ging es los, die Wetterbedingungen waren gut und am Start war das Meer sehr ruhig. Dann kamen durch den Schiffsverkehr grössere Wellen und plötzlich sah ich nirgends mehr Land. Ein spezielles Gefühl, nur umgeben von Wasser auf dem offenen, weiten Meer. Als dann weit in der Ferne Land in Sicht war und ich die Strukturen der weissen Kreidefelsen der Südküste Englands sehen konnte, wurde es sehr emotional. Was für ein Gefühl! Allmählich kamen sie näher und ich konnte die starke Strömung des Ärmelkanals gut ausnützen.
Bereits gegen Mittag erreiche ich das Festland Englands, ein grosser Traum ging in Erfüllung. Nun galt es der malerischen Küste Englands entlang zu paddeln bis zur Mündung der Themse. Damit man überhaupt die Themse hochkommt, muss die Strömung perfekt stimmen. Ein grosser Challenge für den letzten Tag. Am Abend stand ich an der Themse im Hotel Park, beobachtete die riesigen Schiffe als mich plötzlich ein Mann ansprach und fragte, wieso mich dieses Treiben so interessiere. Wir kamen ins Gespräch und ich erzählte ihm meine Geschichte, dass ich mit dem Kajak von der Schweiz aus hierher gepaddelt sei und am nächsten Tag noch bis zum Westminster nach London paddeln wolle. Er fragte gleich, ob das ein Witz sei? Er stellte sich als britischer Parlamentarier vor und er werde gleich den Hoffotograf anrufen, damit mich dieser am nächsten Morgen von der Westminster Brücke aus fotografieren könne, wenn ich vorbei paddle. Gleichzeitig lud er mich ins britische Parlament ein.
Am letzten Tag startete ich bereits im Dunkeln bei leichtem Nieselregen, eine einmalige Stimmung. Die erste Stunde war noch eine leichte Gegenströmung Richtung London, nachher kehrte die Strömung und sie wurde immer stärker bis sich sehr hohe Wellen aufbauten. London auf dem Wasserweg zu erreichen, alleine mit dem Kajak durch diese Weltstadt zu fahren: Momente, die ich nie mehr vergessen werde. Vorbei am Bankendistrikt mit den Hochhäusern, dann unter der gewaltigen Tower Bridge vorbei bis direkt zum Westminister und dort stand tatsächlich auch der Fotograf.
Ein grosser Wunsch ist in Erfüllung gegangen; ich bin mit dem Kajak nach 1500 km gesund und glücklich in London City angekommen.