„Der Hüter der Vulkane“, so titelte die NZZ letzten Juli über Marco Cruz. Eine lebende Legende am Fusse des Vulkan Chimborazo 6310m, in Ecuador. Letzte Woche hatte ich das Glück, Marco Cruz zu treffen.
Wieder einmal hatte ich die Gelegenheit, mein geliebtes Ecuador zu besuchen. Und zwar zu einem ganz besonderen Anlass. Als Trauzeuge zur Hochzeit von Karl Egloff, meinem persönlichen Freund und unserem Geschäftsführer in Ecuador. Welch eine Ehre!
Ecuador ist aber viel zu schön, um „nur“ für eine Hochzeit anzureisen. Zusammen mit meiner Freundin Livia, Karl und Nico, einem Freund und Bergführer, bestiegen wir den 4199 m hohen Pasachoa. So nah bei Quito und doch so mittendrin in atemberaubender Natur. Nach der Besteigung reiste Karl zusammen mit Nico zurück nach Quito. Die Hochzeit musste noch vorbereitet werden. Livia und ich reisten weiter südlich in die Chimborazo Mountain Lodge. Oder wie ich sie von meinem letzten Aufenthalt noch kannte „Estrella de Chimborazo“. Und das ist sie wirklich: Ein Stern am Fusse des Chimborazo.
Nur schon die Anfahrt ist lohnenswert! Südlich geht es der Panamericana entlang bis nach Ambato. Von hier über grüne Hänge hinauf. Der Chimborazo verhüllt sich noch in Wolken. Die Flanken lassen sich bereits erkennen. Nun reissen die Wolken auf. Unendlich geht es hoch auf den majestätischen Koloss. Wir sind zwar bereits auf 4000m, aber es geht immer noch 2300 Höhenmeter weiter hinauf. Die Erinnerungen an meine Besteigung vor drei Jahren ist wieder ganz präsent.
Die Strasse führt im Windschatten des Chimborazo durch eine wüstenähnliche Zone. Dieses Gebiet ist durch den Chimborazo so gut geschützt, dass fast keine Feuchtigkeit vom Amazonas hier je ankommt. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Vor uns stehen hunderte Vikuñas! Die scheuen Tiere präsentieren sich regelrecht hier oben. Unser Reisetempo verlangsamt sich. Wo man hinblickt, immer wieder ein neues Fotomotiv.
Am Chimborazo vorbei kommen wir nun in der Lodge an. Gastfreundlich werden wir von Marco Cruz empfangen. Er bringt uns in eine im letzten Jahr eröffneten Suite. Wir sind in der Reinhold Messner Suite, geschmückt mit Fotos des berühmten Bergsteigers, einem seiner Pickel, seines Seils und mit atemberaubender Sicht auf den Chimborazo. Gimena, seine Frau entschuldigt sich, dass das Fenster nicht geputzt sei. Direkt über dem Fenster niste ein Kolibri, und sie wollte die Jungen nicht stören. Und schon schwebt ein Kolibri daher, und das auf 4000m!
Uns fehlen die Worte. Die Schönheit und Liebe zum Detail in dieser Lodge kann man nicht in Worte fassen. Überall zieren Bilder und alte Bergsteigerutensilien die Wände. Die Zimmer benannt nach berühmten Bergsteigern wie Walter Bonatti, Reinhold Messner, Lionel Terrai und Herman Buhl sind mit persönlichen Gegenständen dieser Bergsteiger ausgestattet. Alle waren oder sind immer noch Freunde von Marco Cruz.
Beim Abendessen serviert uns Marco das feine Menu. Er trägt Cordhose und Wolljacke, mit Edelweiss und Bergführerabzeichen auf der Brust. Nach dem Essen setzt er sich zu uns. Ein lebende Legende! Als 13 jähriger hat Marco zum ersten Mal den Chimborazo bestiegen, mit 18 Jahren den Aconcagua. Als Zwanzigjähriger ist er, nur mit einem Rucksack und 20 Dollar darin, auf einem Bananenschiff nach Spanien gefahren. Das Geld wurde ihm während der Überfahrt gestohlen. Trotzdem hat es Marco geschafft, und dies vor 50 Jahren, in Chamonix die Internationale Bergführer Ausbildung zu absolvieren. Er war für lange Zeit der einzige patentierte Bergführer in Südamerika.
Alle Klassiker hat er in den Alpen bestiegen! Grandes Jorasses, Les Courtes, Weisshorn, Eigernordwand, Biancograt und Piz Bernina und sogar eine Winterbegehung der Matterhorn Nordwand. Danach führte er Expeditionen in den Kaukasus, Mt. McKinley, Himalaya. Mittlerweile hat er über 1000 Mal den Chimborazo bestiegen und verbringt einen grossen Teil seiner Zeit wieder am Fusse seines Berges. Seine Lodge ist wie ein Museum über sein eigenes Leben. Alle Fotos und Utensilien. Liebevoll gesammelt und präsentiert. Wenn er eine Geschichte erzählt, nimmt er oft ein passendes Bild von der Wand und erklärt es uns.
Wir könnten seinen Geschichten wohl die ganze Nacht zuhören. Marco schlägt vor, uns am nächsten Tag auf eine Wanderung in den Bosque Polylepis zu begleiten. Ein Papierbaumwald auf 4400m. Wir sind sofort einverstanden und freuen uns auf den kommenden Tag.
Der Sternenhimmel ohne störende Lichtquelle, die ruhige Nacht, das Beobachten der Kolibri vor dem Fenster und das ausgiebige Frühstück haben gutgetan. Nun geht es los! Zusammen mit Marco fahren wir zum Ausgangspunkt. Durch Chuquiraguas, die Nationalblume vom Hochland Ecuadors, und Lavawüste hindurch wandern wir gemächlich in den Papierbaumwald. 100 bis 200 jährige Bäume erwarten uns, ein Märchenwald! Marco zeigt uns auch den alten Weg der Inkas. Dieser sei benutzt worden, um von Guayaquil nach Quito zu kommen. Bis die Eisenbahn gebaut worden sei. Was für eine Region! Reich an Geschichten, reich an atemberaubender Natur, wir erleben sie mit lebenden Legenden. Wir verabschieden uns hier von Marco und setzen unsere Reise fort.
Am Samstag auf der Hochzeit treffen wir ihn wieder. Auch er ist ein guter Freund des Brautpaars. Wir geniessen das fröhliche Fest und lassen uns von den Latinos mitreissen. Welche Lebensfreude, welche Emotionen! Wie Ecuadors Slogan so schön sagt: „ Ecuador, Ama la vida“
Auch die NZZ hat Marco Cruz besucht und war fasziniert. Den Bericht gibt es unter folgendem Link zu lesen. http://www.nzz.ch/der-hueter-der-vulkane-1.18584480