„Mingalaba.“ Die Mädchen kichern als wir sie grüssen. Die meisten tragen Thanaka im Gesicht. Ich bin mir noch immer nicht ganz sicher, ob diese gelbe Paste als Make-up oder Sonnenschutz gedacht ist. „Where are you from?“ fragt die Mutigste unter ihnen. „From Switzerland“ antworten wir. Und ernten noch mehr Lachen und Kichern. Die Mädchen haben vier Tage lang Abfall eingesammelt und sind aus der Klosterschule in Kampalat, wo wir unser Trekking heute beenden werden.

Vor fünf Tagen sind wir in Mindat aufgebrochen. Und auf verschlungenen Pfaden an Flüssen entlang und durch dichten Dschungel in den Chin-Bergen gewandert. Vorbei an ursprünglichen Dörfern, durch kleinräumige, landwirtschaftliche Mischkulturen. Durch abgelegene Dörfer mit pfeifenrauchenden und gesichtstätowierten Mon-Frauen. Wir haben unterwegs die lokale Küche kennengelernt und in Gemeinschaftsräumen im Schlafsack übernachtet. Sai, unser burmesischer, deutschsprachige Reiseleiter ist mit seinem grossen und breiten Wissen eine tolle Bereicherung. Jetzt stehen wir auf dem Mount Victoria, 3070 Meter. Eine bewaldete Hügelkuppe mit einem sitzenden Buddha und Aussicht auf die Berge und Täler.

„Wir möchten Ihnen ein Geschenk machen“ sagt Sophie, die Lehrerin der Mädchenklasse. Ihr Begleiter zaubert eine Geige aus einem verbeulten Kasten hervor, stimmt eine Melodie an und die Mädchen singen ein burmesisches Volkslied. Wir revanchieren uns mit dem Burebüebli. Als Sai den Mädchen den Liedtext ins Burmesische übersetzt, kichert die ganze Klasse erneut. Und wir stellen einmal mehr fest: wir sind im Land des Lächelns unterwegs.

Auf der Weiterreise nach Mandalay erleben wir ein Land voller spannender Gegensätze und Eindrücke: Ein Mädchen mit gelben Thanaka-Wangen hält seine kleine Schwester an der Hand und winkt uns vom Strassenrand aus zu. Ein rotgekleideter Mönch sitzt im Mahamuni-Tempel mit seinem Tablet an einer rotgoldenen Säule und checkt seinen Facebookaccount. Zwei Kinder durchwühlen einen Abfallhaufen nach etwas Verwertbarem. Im Goldenen Palastkloster knipst ein verliebtes Pärchen ein Selfie vor den filigranen Holzschnitzereien. Ein Hängebauchschwein quiekt und ein Hahn kräht hinter dem Restaurant beim Mittagessen. In der Kuthodaw-Paya beobachten wir ein Paar in farbiger, traditioneller Tracht im Regen beim Hochzeitsfoto machen.

Wir fahren auf einem prächtigen, restaurierten Holzschiff den breiten Irrawaddy-Fluss hinunter. Beobachten durch den Regenschleier das rege Treiben der Boote auf dem Fluss und der Menschen am Ufer. Entdecken Bienenfresser, Felsen-, und Uferschwalben. Erkunden einige der rund 2000 Tempel und Stupas in der historischen Königstadt Bagan. Nebelschwaden wehen beim Sonnenaufgang am Morgen über die weite, mit den ziegelsteinroten Pagoden durchsetzte Landschaft. Beeindruckend und mystisch.

Im Einbaum mit knatterndem Eintaktmotor rauschen wir rasant zwischen zwei Bergketten über den Inle-See. Ein Einbeinruderer posiert mit seiner Reuse kunstvoll vor dem Abendhimmel. Unsere Lodge ist auf Stelzen ins Wasser gebaut und von der Rooftop-Bar sieht man weit über den See und die Felder. Der frühe Vogel fängt den Wurm: Am nächsten Morgen sind wir die erste Reisegruppe bei den Shwe-Inthein-Stupas. 1054 spitze Stupas erwarten uns dichtgedrängt. Wir geniessen die aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammenden Türme ganz ohne Menschen dazwischen. Einige Pagoden sind zerfallen oder im Würgegriff von Baumwurzeln, dazwischen sind neue gebaut worden. Ein starker Anblick von Werden und Vergehen. Der Besuch der Lotusweberei versetzt uns zurück in (bei uns) längst vergangene Zeiten. Wie die Frauen die Lotusstängel brechen und die feinen Fasern zu Zwirn rollen, färben und an den alten Webstühlen zu Stoff verarbeiten, berührt uns. Das Klack-Klack-Klack der Web-Schiffchen klingt uns noch lange in den Ohren auf der Weiterfahrt durch die engen Kanäle der schwimmenden Gärten. Und die Gesichter der Hobbyornithologen strahlen vor Freude, als sie Gleitaare und Eisvögel auf den Stangen sitzend entdecken.

Zurück in Yangon besuchen wir zum Abschluss das wichtigste Heiligtum der Burmesen: die Shewedagon-Pagode. Im Abendlicht umwandern wir sie im Uhrzeigersinn und lassen uns verzaubern. Vom Licht, das den Turm in pures Gold verwandelt. Vom Gemurmel der Betenden rund um die Stupa. Von der Energie und den Gesängen auf dem Wunschplatz. Und von der mit Thanaka-Paste geschminkten Frau, die aus tiefer Meditation heraus die Augen öffnet und uns zulächelt. Wunderschön. Faszinierend. Und voller Gegensätze. Burma. Myanmar. Das Land der Pagoden und des Lächelns.

Dominik Abt, Wanderleiter SBV

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Unterwegs im Land des Lächelns – in Myanmar